Lecture & Film: Tropical Underground – April 2018

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[threefourths_columns ]Wer die kulturelle Globalisierung der Gegenwart verstehen will, kann von der brasilianischen Gegenkultur der 1960er und 1970er Jahre lernen. Mit deren Verbindung von Anthropologie und Avantgarde befasst sich die Campus-Veranstaltung „Tropical Underground“, die neben der „Lecture & Film“-Reihe im Deutschen Filmmuseum auch die Fotoausstellung „Variationen des wilden Körpers“ im Weltkulturen Museum und weitere Veranstaltungen bis Juli 2018 umfasst. Die „Lecture & Film“-Reihe setzt den Akzent dabei auf das Cinema Marginal der späten 1960er und 1970er.

Das Cinema Marginal war zunächst ein Zufallsprodukt der nationalistischen Kulturpolitik der brasilianischen Militärdiktatur. Ein Drittel aller Kinofilme sollte nach dem Wunsch der Junta aus Brasilien stammen, eine den Kinos auferlegte Quote, die von der heimischen Filmindustrie gar nicht erfüllt werden konnte. In der Not wurden die Kinobetreiber zu Produzenten und gaben jungen Regisseur/innen Geld für Low-Budget-Filme. Und genau in dieser Quotennische kam es zu einer kreativen Explosion. Noch neuer als die neue Welle des Cinema Novo wollte das Cinema Marginal sein und stand diesem durchaus kritisch bis polemisch gegenüber. Filmschaffende machten Anleihen beim Horrorfilm und beim Melodram und knüpften – zeitgleich mit der Tropicália-Bewegung in der brasilianischen Musik – an die Themen und Strategien der brasilianischen Avantgarde der 1920er Jahre an.

Als einer deren Hauptvertreter hatte Oswald de Andrade in seinem einflussreichen Anthropophagischen Manifest von 1928 die „karibische Revolution“ ausgerufen. Damit begründete er eine eigene, von den Kunstbewegungen der Metropolen Paris und New York verschiedene, brasilianische Moderne. Mit seiner Mischung aus Genrefilm und Avantgarde trägt das Cinema Marginal diese Revolution ins Kino.

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Vom 23. bis 25. Mai 2018 findet im Museum Angewandte Kunst begleitend die internationale Tagung
Das andere 68.
Anthropophage Revolutionen in der brasilianischen Gegenkultur nach 1968
statt.

Informationen unter
tropical-underground.
de/tagung

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GRENZSITUATIONEN, HYGIENERITUALE UND DAS DELIRIUM DES ALLTAGSLEBENS

Lecture von Max Jorge Hinderer Cruz
in englischer Sprache

Neville D’Almeida ist der Außenseiter der Außenseiter, das enfant terrible des Cinema Marginal. Für die großen intellektuellen Filmschaffenden, die den Streit um den Thron des brasilianischen Untergrund unter sich austrugen, entzog sich D’Almeidas Werk den Maßstäben ihrer symbolischen Ökonomie. Kommerziell zu erfolgreich, zu wenig dem dogmatischen Ansatz eines „politischen Autorenkinos” verschrieben, ging D’Almeida noch über gängige Vorstellungen eines „Outlaw-Kinos” hinaus und entwickelte seine eigene Position als Filmemacher. Sein Film A DAMA DO LOTAÇÃO (Lady on the Bus, 1978) war ein großer kommerzieller Erfolg, und RIO BABILÔNIA (1982) avancierte in kürzester Zeit zum Klassiker. MANGUE BANGUE (1971) ist ein wenig besprochenes frühes Werk D’Almeidas und ein vorzügliches Beispiel dafür, wie er seine eigene Sprache und Position als Filmer von Grenzerfahrungen des Alltags entwickelte.

Max Jorge Hinderer Cruz ist freier Autor und Kulturkritiker und lebt in Rio de Janeiro. Zu seinen Publikationen zählt Hélio Oiticica and Neville D’Almeida: Block-Experiments in Cosmococa – program in progress (2013, zusammen mit Sabeth Buchmann).

 

Mitschnitt der Lecture:

MANGUE BANGUE

Brasilien 1971. R: Neville D’Almeida
D: Rose Matos, Maria Gladys, Paulo Villaça. 61 Min. 16mm. OmeU

In Mangue, einem Rotlichtviertel im Zentrum von Rio de Janeiro, drehte Neville D’Almeida einen experimentellen Film über die Gegensätze, die das Wirtschaftswunder der 1970er-Jahre hervorbrachte – eine Zeit der sexuellen Freiheit und der Drogenexperimente, aber auch der massiven politischen Zensur. Wegen der Repression durch die Militärdiktatur ging D’Almeida kurz nach Ende der Dreharbeiten ins Exil nach London, wo er MANGUE BANGUE fertigstellte. Der Film galt für mehr als 40 Jahren als verschollen, bis eine 16mm-Kopie beim Museum of Modern Art – MoMA in New York auftauchte. Sie wurde dort sorgfältig restauriert und 2010 erstaufgeführt.

[/threefourths_columns] [onefourth_columns_last ]Donnerstag, 12.04.2018
20:15 Uhr

Filmbeginn:
ca. 21:15 Uhr

Eintritt frei

Preserved by The Museum of Modern Art with support from the Celeste Bartos Fund for Film Preservation

 

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UNDERGROUND BRAZIL:
SEX, GEWALT UND DIE WEGWERF-ÄSTHETIK IM KINO DER 1970ER JAHRE IN SÃO PAULO

Lecture von Stephanie Dennison
in englischer Sprache

Die 1970er-Jahre sind eine der produktivsten Hochphasen des Filmschaffens in Brasilien. Vielleicht überrascht es dabei nicht, dass die Filmproduktion von Boca do Lixo (dt. in etwa: „Müllmaul”), São Paulos Rotlichtviertel, von der Wissenschaft bis vor kurzem noch wenig beachtet worden ist. Anhänger der udigrudi– oder auch Underground-Filmbewegung, kamen als Gruppe junger Filmschaffender in Boca do Lixo zusammen, um Arbeit und Inspiration zu finden. Ihre Filme waren häufig stark gewaltgeprägt, massiv von Zensur betroffen, erotisch aufgeladen, ästhetisch experimentell, teilweise hochpolitisiert und immer subversiv. Der Vortrag konzentriert sich auf diejenigen in Boca do Lixo produzierten Underground-Filme, die sich bewusst auf das Genre der Sexkomödie pornochanchada beziehen, darunter Rogério Sganzerlas A MULHER DE TO- DOS (1969), João Callegaros O PORNÓGRAFO (1970) und Carlos Reichenbachs LILIAN M: RELATÓRIO CONFIDENCIAL (1975). Diskutiert wird, inwieweit diese Untergrund-Filmemacher Sex und Sexualität sowohl darstellten als auch diskutierten, um den Ethos der brasilianischen Diktatur (1964-84) in Frage zu stellen.

Stephanie Dennison ist Professorin für Brasilianistik an der University of Leeds, Großbritannien, und Präsidentin der ABIL (Association of Lusitanists of Britain and Ireland). Sie ist Autorin zahlreicher Publikationen zum brasilianischen Kino, darunter Brazilian national cinema (2007) und Popular cinema in Brazil, 1930 – 2001 (2004).

Mitschnitt der Lecture:

Ersatzfilm

LILIAN M – RELATÓRIO CONFIDENCIAL

Brasilien 1975. R: Carlos Reichenbach
D: Célia Olga Benvenutti, Benjamin Cattan, Sérgio Hingst. 90 Min. Digital. OmeU

lecture_lilian

Maria verlässt ihren Ehemann und ihre Kinder und geht nach São Paulo. Sie bekommt einen Job im Haus des Fabrikbesitzers Braga, und wird schnell zu seiner Geliebte. Maria wird dann in Lilian umbenannt. Auf ihrem Weg vom Elend zum Luxus lernt sie sehr eigenartige Figuren kennen, und wird schließlich wieder zu ihrer Familie zurückkehren wollen. Wegen der Darstellung der Familie und der Rolle der Frau hat der Film bei der Veröffentlichung Schwierigkeiten mit der Zensur gehabt. Die Zensoren hatten es um mehr als 20 Minuten gekürzt. Erst 2010 wurde eine restaurierte Fassung mit dem Director’s Cut veröffentlicht.

[/threefourths_columns] [onefourth_columns_last ]Donnerstag, 26.04.2018
20:15 Uhr

Filmbeginn:
ca. 21:15 Uhr

Eintritt frei

[imageeffect type=“lightbox“ width=“90″ height=“38″ alt=““ url=“/wp-content/uploads/2012/02/button_trailer_play.png“ videourl=“https://www.youtube.com/watch?v=8iEc9hWxBrM“]

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